Beim durchblättern von Fotos, anschauen von Videos und erinnern an alte Zeiten macht sich der Eindruck breit, als wären die Dinge damals einfacher gewesen. Unbeschwerte, schöne Momente, aneinandergereiht in einer Galerie. Selten werden unangenehme Situationen dokumentiert, Streit und Diskussionen aufgenommen und sich immer wieder an Verluste und Niederschläge erinnert. Es liegt ganz an einem selbst, wo man den Blick hinwendet und welche Geschichten niedergeschrieben werden.
Dies soll keine Aufforderung sein, sich nur noch den einfachen Dingen zu widmen. In den folgenden Wochen werde ich unterschiedliche Schreibanregungen für dich posten. Du kannst mit ihnen spielen, ihre Wirkung erforschen, deinen Gedankenradius weiten.
Beim schwelgen in Erinnerungen ist mir aufgefallen, dass Konflikte, die vergangen sind, völlig neue Facetten hervorbringen. Plötzlich bin ich in der Lage den Wert vergangener Schwierigkeiten zu erkennen. Ich sehe woran ich gewachsen bin. Auf dem Weg zurück zu blicken ist oftmals einfacher, als nach vorne, besonders dann, wenn anspruchsvolles Gelände vor einem liegt. Zu erkennen, woran man in der Vergangenheit gewachsen ist, setzt viel Kraft und Motivation frei, und genau daran möchte ich dich erinnern, wenn du täglich deine Zeilen ins Jahrbuch schreibst!
Richte den Blick auf das, woran du gerade wächst! Es hilft wohl keinem, nur die geschönte Version des eigenen Lebens zu notieren und alles Unangenehme auszulassen, aber was sehr wohl hilft, ist sich selbst zu motivieren und in brenzligen Situationen den Blick auf das Ziel zu richten und mit Anmut voran zu schreiten.
Bei der Beobachtung einiger junger Leute im Zug, habe ich mich daran zurückerinnert, welche Themen für mich in der Jugend groß waren und dann bemerkt, wie klein sie aus heutiger Sicht sind. Matura, Führerschein, Aufnahmeprüfungen, Umzüge, Arbeit… heute bewegen mich ganz andere Dinge. Daraus hat sich eine Strategie entwickelt, die ich gerne anwende, wenn große, neue Herausforderungen auf mich warten. Ich spreche mit jemanden, der diese schon gemeistert hat und ganz entspannt dazu steht. Als ich schwanger war, habe ich andere Erstmütter gemieden, ich habe einen Nähkurs mit lauter erfahrenen Großmüttern besucht. Das war eine wahre Freude! Sie wussten worauf es ankommt und haben mich motiviert und bestärkt. Als das Kind dann auf der Welt war, habe ich mich auch gerne wieder mit den anderen Müttern ausgetauscht, aber in der Zeit des Wartens haben mir die Erfahrungen der anderen Gelassenheit und Halt gegeben.
„Emotionen sind wie eine Herde wilder Pferde“ und genau das ist wohl einer der Gründe, warum Vergangenes oft schöner erscheint, die Pferde von damals sind schon weg. Mitten in einer Streitdiskussion zu sein, löst viele Prozesse und Empfindungen aus. Dinge, mit denen wir noch nicht im Reinen sind, werden getriggert, Altlasten kommen hoch und schon sind wir gar nicht mehr beim Auslöser. Ein Gewitter bringt viel Reinigung mit sich. Es tut gut, sich nachher Zeit zu nehmen und zu notieren was im Kopf, im Bauch und im Herzen noch zu spüren ist. Diese Aufzeichnungen helfen später zu verstehen, was der Kern der Sache ist. Im ehrlichen Dialog mit einem selbst ist Wachstum und Heilung vorprogrammiert.
- Was ist die Wahrheit aus meinem Herzen?
- Welche Situationen empfinde ich als lästig, als Last?
- Was genau stört mich an ihnen?
- Was ist das Gute daran?
- Mit welchen Menschen, welchen Verhaltensweisen hängt das zusammen?
- Verhalte ich mich auch so?
- Gab es ein solches Setting schon mal in der Vergangenheit, wiederholt sich das Muster?
- Wie würde sich die Situation in meiner Idealvorstellung gestalten?
- Was kann ich dazu beitragen, das Ideal (die Lösung) hervorzubringen?
- Wie schätze ich die Situation für die andern betroffenen ein?
- Was wäre aus meinem Blickwinkel eine gute Lösung für alle Beteiligten?
Umsorge dich gut und gönn dir Zeit, um mit dir selbst in Dialog zu kommen!